Zwischen Demokratisierung des Wissens und Aufzugsplanung

Schindler Head of Operations über Digitalisierung in der Praxis und seine Rolle.
Bilder mit freundlicher Genehmigung von Schindler
Ihr Autor (USB) sprach kürzlich mit Dr. Christian Schulz (CS), Betriebsleiter bei Schindler mit Sitz in Ebikon, Schweiz, über die Beschleunigung von Bauprozessen und Qualitätssicherung durch Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

USB: Herr Dr. Schulz, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, aktuelle Entwicklungen in Ihrem Unternehmen und in der Branche vorzustellen und zu beschreiben ELEVATOR WORLD Leser. Wer ist die Person, mit der ich spreche, und wie bist du dahin gekommen, wo du bist?
CS: Ich habe einen Abschluss in Ingenieurwesen aus Deutschland. Meine berufliche Laufbahn habe ich am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) begonnen, danach habe ich meine Tätigkeit in der Industrie bei ABB in Deutschland aufgenommen. 2003 habe ich bei Schindler in Deutschland angefangen. Von 2009 bis 2014 war ich Geschäftsführer der zum Schindler Konzern gehörenden C. Haushahn Gruppe in Deutschland. Danach wurde ich Leiter Service und Modernisierung für den Schindler-Konzern in der Schweiz. Seit 2017 bekleidete ich die Position des Betriebsleiters. Schindler baut weltweit Aufzüge für Personen und Güter, Fahrtreppen und Fahrsteige und befördert jährlich mehr als 1.5 Milliarden Menschen.
USB: Wie hat Ihre Zeit bei Haushahn dieses Unternehmen geprägt?
CS: Damals kaufte Schindler viele kleinere Unternehmen und übertrug sie an Haushahn. Schindler hat Haushahn bewusst differenziert. Manche Kunden schätzen die „Big 4“; manche bevorzugen den Mittelstand. Die Nähe zu Ansprechpartnern wird im Mittelstand ebenso gepflegt wie die Nähe zu Kunden und Produkten. Haushahn bietet eine echte Alternative zu den „Big 4“ und ist mittlerweile zur Nummer fünf in Deutschland aufgestiegen. Diese „mittelständische“ Unternehmenskultur wurde aufgrund des großen Erfolgs von Schindler nun auch in anderen Ländern kopiert. In China verwendet beispielsweise eine solche Tochtergesellschaft auch das Haushahn-Logo und sogar einen ähnlich klingenden Firmennamen.
USB: Was ist im Allgemeinen die Rolle eines Head of Operations?
CS: Meine Hauptaufgabe ist es, Märkte und Kunden zu verstehen und in Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Im weitesten Sinne ist das Produktmanagement. Da Schindler eine Matrixstruktur hat, ist der Head of Operations das Bindeglied zwischen den Ländern/Regionen und den klassischen Funktionsbereichen. Das Team besteht aus rund 250 Mitarbeitern, die sich dieser Aufgabe annehmen. Pendants finden sich in allen Ländern in ihren jeweiligen Schwerpunktregionen.
USB: Was bedeutet das für Ihre tägliche Arbeit?
CS: Ich kommuniziere viel in beide Richtungen. Aufgrund der Zeitverschiebung zu China sitze ich frühmorgens an meinem Schreibtisch und erfahre, was die Kunden wünschen und wie unsere Produkte ankommen. Ich binde die IT-, Supply-Chain- und F&E-Abteilungen aktiv ein. Mein Tag endet mit Gesprächen mit Kollegen in Nord- und Südamerika.
USB: Können Sie bitte ein konkretes Beispiel nennen?
CS: Zuletzt habe ich mit acht deutschen Schlüsselkunden gesprochen, darunter Architekten und Betreiber. Der Fokus lag darauf, wie sie den Markt jetzt und in Zukunft sehen. So erkenne ich Veränderungen bei den Kunden, die wir dann nutzen, um neue Produkte innerhalb der Gruppe zu entwickeln. So sind zum Beispiel unser Montageroboter Schindler RISE und unsere digitalen Services entstanden. Sie verhelfen unseren Kunden zu mehr Erfolg in ihrem Geschäft.
USB: Was wiederum hat Schindler geprägt?
CS: Innerhalb der letzten zwei Jahre hat Schindler seine Produktpalette weltweit komplett erneuert. Kunden interessieren sich zunehmend für den gesamten Bauprozess, den sie beschleunigen wollen. So bietet Schindler nicht mehr nur Aufzüge an, sondern beispielsweise während des Bauprozesses auch den Schindler CLIMB Lift, der Baumaterialien und Handwerker transportiert. Einer ihrer Vorteile ist, dass es geschlossen ist, also Menschen und Material vor Wind und Wetter schützt und damit die Umwelt vor Baulärm schützt. Zudem fährt er schneller als ein herkömmlicher Bauaufzug.

USB: Die andere Facette der Modernisierung, die Sie angesprochen haben, war die Digitalisierung entlang der Wertschöpfungskette. Was sind die Vorteile?
CS: Die Grundvoraussetzung ist die Datenkonsistenz, wie wir sie bereits in den Aufzügen Schindler 1000 und Schindler 3000 implementieren. Alle Daten „wandern“ über eine Datenschnittstelle vor Ort zu den Maschinen und zurück in die Produktion. Dazu wird eine Produktkonfigurationssoftware verwendet, die auch in der Automobilindustrie eingesetzt wird. Um an Schindler RISE zurückzukommen, wird die Dokumentation der Montage elektronisch bereitgestellt. Der Aufzug wird in Kisten auf die Baustelle geliefert, die Kisten sind mit online abrufbaren QR-Codes versehen. Auch nachträgliche Einstellungen werden online mit einem speziellen Softwaretool vorgenommen. Dies reduziert die Installationszeit von Aufzügen um 10-15 % bei verbesserter Qualität.
„Die wichtigsten Daten sind immer und überall in Echtzeit verfügbar.“
USB: Wenn Kunden an Digitalisierung denken, fällt ihnen natürlich als erstes die Instandhaltung ein.
CS: Natürlich liefern heute alle aktiven Aufzüge ihre Daten in die Cloud. Dort können Daten abgerufen werden, aber auch direkte Aktionen an den Aufzügen sind möglich. Schindler Ahead bietet vorausschauende Wartung und elektronische Überwachung. Die wichtigsten Daten sind immer und überall in Echtzeit verfügbar. Der Fokus liegt hier auf der Qualitätssicherung: Probleme werden erkannt. Der vor Ort entsandte Servicetechniker kennt das Problem bereits. Auf seinem Handy wird vorgeschlagen, was er vor Ort tun könnte, um das Problem zu beheben, damit er es gleich beim ersten Mal richtig macht.
USB: Was hat Fachkräftemangel mit Digitalisierung zu tun?
CS: Wir bauen bei Schindler eine Wissensbasis für elektronische Aufzüge auf. Die Erfahrungen der Mitarbeiter werden gesammelt und automatisch in alle im Konzern verwendeten Sprachen übersetzt. Wird beispielsweise ein Fehler im Leitsystem gemeldet, erhält der Mitarbeiter über die App Informationen über den Fehler und die mögliche Lösung. Dies gilt auch für Drittsysteme. Diese Demokratisierung des Wissens ist besonders wichtig für junge Arbeitnehmer. Sie suchen zunächst online nach einer Lösung: „Warum funktioniert die Kaffeemaschine nicht?“ Ein Expertensystem löst nicht das Problem, sondern sammelt das Wissen und die Erfahrung von Experten und gibt es an die nächste Mitarbeitergeneration weiter.
USB: Viele Expertensysteme sind schon einmal gescheitert. Wie geht es Schindler besser?
CS: Mitarbeiter füttern das System. Die Mitarbeiter vor Ort nutzen das System. Wird in der Datenbank keine Lösung gefunden, werden Experten innerhalb der Gruppe eingebunden, um die Wissenslücke zu schließen. Je nach Zeitaufwand werden zunächst Experten in den jeweiligen Ländern und dann Experten in der Zentrale hinzugezogen. Die Lösung wird wiederum von den Systembenutzern bewertet. Die zentrale Fachgruppe kümmert sich auch um die inhaltliche Bearbeitung. Dazu werden unter anderem pensionierte Mitarbeiter eingesetzt. Auf diese Weise bleiben sie mit dem Unternehmen verbunden; im Gegenzug arbeiten sie eine bestimmte Anzahl von Stunden pro Monat daran, solche Probleme im System zu lösen.
USB: Sie haben die Konzernseite in Bezug auf die Digitalisierung von Prozessen abgedeckt. Was bieten Sie dem „Link“ der Kunden, den Planern?
CS: Damit meine ich nicht die hochspezialisierten und qualifizierten Aufzugsplaner für spektakuläre Gebäude, sondern die Architekten und Haustechniker für die einfachen Gebäude, die sie vielleicht zwei-, drei- oder viermal im Jahr planen. Außerdem ändern sich Standards ständig. Die Planungssoftware Schindler Plan & Design Tool optimiert den gesamten Planungsprozess, indem sie gerade dieser Zielgruppe ermöglicht, einen Aufzug vollständig zu planen. Zur Verarbeitung werden die Daten aus und in die Cloud geladen. Hochauflösende Grafiken ermöglichen beispielsweise eine Vorschau auf den Fahrzeuginnenraum. Die Daten werden dann direkt in das Angebot übernommen. Auch die Kunden entwickeln eine noch größere digitale Affinität.

USB: Wie passt Building Information Modeling (BIM) in den Planungsprozess?
CS: Die Planung wird durch die BIM-Integration weiter verbessert. Wir liefern BIM-fähige Daten aus dem Tool für jedes Produkt direkt an den Architekten. Wir arbeiten direkt mit Großkunden zusammen. Bisher sind diese integrierten Modelle noch vor allem bei großen Bauprojekten zu finden.
USB: Gibt es auch regionale Schwerpunkte in der digitalen Planung unter Einbeziehung von BIM?
CS: In der Tat sind die angelsächsischen Länder führend; Ich zähle auch Hongkong, Australien und Neuseeland dazu. Die USA stehen dem jedoch offener gegenüber als vielleicht der Rest der Welt. Ein Grund ist, dass es noch keine abgeschlossene Normung gibt, aber erste technische Regeln von der Chartered Institution of Building Services Engineers in Großbritannien und jetzt auch vom Verein Deutscher Ingenieure in Deutschland. Die immer noch bestehenden unterschiedlichen Anforderungen an Datenformate und deren Inhalte führen dazu, dass derzeit nicht einmal unsere großen Wettbewerber kompatibel sind. Vielmehr verfolgt jedes Unternehmen Großkunden alleine statt mit unternehmensinternen Ansätzen. Die internationale oder zumindest europäische Standardisierung muss daher zügig vorangetrieben werden.
USB: Am Ende der Kette erreicht die Digitalisierung auch die Nutzer in Form von smarten bzw. intelligenten Gebäuden und Aufzügen.
CS: Mit Schindler PORT und MyPORT bieten wir ein umfassendes digitales System, um die Mobilität in Gebäuden zu erleichtern bzw. zu optimieren und die Benutzersicherheit zu erhöhen. Anwendungsprojekte sind zum Beispiel das Quartier Future Living® in Berlin, wo Schindler Betriebs- und Entwicklungspartner war (EW Europe, Juli-August 2021).
USB: Was ist mit dem wertvollsten Gut der Menschen heute: Informationen?
CS: Unsere digitalen Kommunikationslösungen im Auto helfen, Nutzer zu informieren. Sie ersetzen den am Aufzug angebrachten Informationsbrief wie „Nächste Woche werden die Dachrinnen gereinigt“ durch eine Bildschirmanzeige, die natürlich auch Werbung oder andere Informationen anzeigen kann. Je nachdem, wer den Fahrstuhl benutzt, zeigt der Bildschirm das Wetter oder die Börse. Oder morgens auf dem Weg zum Parkhaus zeigt das System bereits in Google Maps an, wo auf dem Weg zur Arbeit der Stau ist und wie man ihn umfährt. Property Manager können die Informationen einfach und schnell ändern und müssen nicht so oft vor Ort sein, was der Nachhaltigkeit zugute kommt. Die Fahrt wird zum Erlebnis; Der Kontakt zu den Nutzern wird gestärkt. Der Aufzug wird zur individualisierten Kommunikationsplattform und erhöht so die Effektivität durch optimierte Warte- und Fahrzeiten.

USB: Schauen wir weiter in die Zukunft. Können wir von Schindler neue digitale Produkte und/oder Dienstleistungen erwarten, zB den Einsatz von KI?
CS: Meiner Meinung nach wird das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnen. Zukünftige Aufzugssteuerungen werden dies angehen, indem sie ihre Steuerungslogik an die aktuellen Gebäudeanforderungen anpassen. Wenn ein Gebäude halb leer ist, kann es nicht sinnvoll sein, zwei Personen mit unterschiedlichen Zielstockwerken unterschiedliche Aufzüge zuzuweisen. Nachhaltiger ist es, beide Personen mit dem gleichen Aufzug zu bedienen, auch wenn die zweite Person eine etwas längere Fahrt hat. Hier nutzen wir bereits einige rudimentäre KI in der Steuerung zu Optimierungszwecken.
USB: Welche anderen Ansätze zur Nachhaltigkeit sehen Sie?
CS: Wir müssen die Nachhaltigkeit im Gebäudemanagement verbessern. Dazu gehört auch, Dienstleistungen aus der Ferne durchzuführen und so den COXNUMX-Fußabdruck zu reduzieren. Schon jetzt wollen Großkunden nicht nur den Energieverbrauch der Aufzüge wissen, sondern auch den COXNUMX-Fußabdruck unserer Wartungsarbeiten, um den COXNUMX-Fußabdruck ihrer Gebäude zu ermitteln.
USB: Gilt das sowohl für Neubauten als auch für Bestandsgebäude?
CS: Eine der Herausforderungen betrifft die lange Nutzungsdauer unserer Gebäude und das damit verbundene hohe Alter der technischen Ausstattung. Hier bietet die Modernisierung von Anlagen wie Aufzügen weiteres Potenzial zur Energieeinsparung.
USB: Was kommt in Sachen Digitalisierung?
CS: Die Revolution in der Aufzugstechnik wird die Digitalisierung mechanischer Sicherheitskomponenten wie Bremsen und Geschwindigkeitsbegrenzer sein. Dies in Gesetzgebung und Normung zu verankern, wird ein langer Prozess sein.
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